Die folgende Rede hat der Vorsitzende der FWG Liederbach im Dezember 2020 gehalten:
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,
2 Sachen überschatteten das Jahr 2020 in Liederbach.
Zum einen ist dies sicherlich Corona, welches seit Februar unser tägliches Leben in vielen Bereichen komplett auf den Kopf stellte. Dinge die vorher selbstverständlich waren, waren von einem auf den anderen Tag entweder gar nicht mehr möglich oder nur unter größten Anstrengungen. Auch unsere Gemeinde war an vielen Stellen davon betroffen und wird es wohl auch aller Voraussicht nach noch in 2021 sein. Wenngleich es seit Frühjahr Hilfspaket um Hilfspaket gab und weiterhin gibt – wobei manche Hilfe wie zum Beispiel die Novemberhilfe für die Selbständigen nun wohl erst im Januar kommen wird – und auch wir als Kommune von einem Zuschuss für die Gewerbesteuer profitiert haben, so ist es fraglich, ob auch im kommenden Jahr noch neue Hilfen bei uns ankommen werden.
Zu Recht hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass man sich so etwas einmal leisten kann, weil man vorher sparsam war, dass dies jedoch nicht dauerhaft durchgehalten werden kann.
Corona bestimmte daher in großen Teilen auch den Haushalt 2021 und die Beratungen dazu. Das Ergebnis liegt bei -860. TE und kann nur durch den Verkauf von Grundstücken ausgeglichen werden. Es werden zwar keine Steuern erhöht, dafür ist eine Kreditaufnahme über 1,35 Mio. Euro geplant.
Wenngleich es im Rathaus durch die Übernahme der Auszubildenden wieder eine Stelle mehr gibt, so waren an vielen Stellen des eingebrachten Haushalts doch auch Sparbemühungen zu erkennen. Etwas was wir auch vor Corona stets gefordert hatten, genau um – wie es die Bundesregierung richtig sagte – für schlechte Zeiten vorbereitet zu sein.
Auch wenn es vor Wahlen vielleicht nicht ganz üblich ist, hätten wir – auch um unserer Verantwortung den Liederbacher Bürgern gerecht zu werden – dem Haushalt trotz des Minus und der Kreditaufnahme wohl zustimmen können.
Jedoch war Corona in Liederbach im Jahre 2020 nicht das einzige Aufsehen erregende Ereignis. An einem schönen Freitag im August gab es ein Ereignis, welches es theoretisch nur alle 100 Jahre geben sollte. Ein rund halbstündiger Regenguss verwandelte unseren ortsnamenprägenden Bach in ein reißendes Gewässer. Innerhalb von kürzester Zeit fiel so viel Wasser vom Himmel, dass der zuvor trocken liegende Bach – trotz der geöffneten Regen-Rückhaltebecken – über die Ufer trat und weite Teile des alten Ortskerns von Niederhofheim überflutete. Innerhalb von wenigen Minuten wurden Schäden angerichtet, die weit in die Millionen gehen dürften.
Glück hatten all jene, die eine Elementarschadenversicherung in ihrem Versicherungsvertrag enthalten haben. Diesen wurde zwar nun meist gekündigt, jedoch wurde der Schaden ersetzt. Die Berge von Sperrmüll und die vollen Container vor den Häusern zeigten, welches Ausmaß die Schäden angerichtet hatten. Von einzelnen Bürgern wurden Summen von über eine Viertel Million Euro als Schaden nachgewiesen. Und die Überschwemmung hatte nicht wenige Bürger getroffen.
Um zumindest denjenigen, die es besonders arg getroffen hatte und deren Häuser in der Folge teilweise wegen fehlender Warmwasser- und Stromversorgung nicht mehr bewohnbar waren, soweit zu helfen, dass sie ein Dach über dem Kopf haben, haben wir damals eine Flut-Nothilfe beantragt und diese wurde in nur einer Woche im HFA in Rekordzeit von allen Fraktionen beschlossen.
An dieser Stelle möchte ich allen Gemeindevertretern für die schnelle und effiziente Hilfe unserer Bürger danken.
In den Sitzungen nach der Flutkatastrophe wurde klar, dass wohl auch eine nicht ausreichende Bachpflege ein Grund war, weswegen es zu diesen heftigen Überschwemmungen kam. Ein Dritter Pflegeschnitt, den der Abwasserverband nach Beauftragung durch das Rathaus durchführt, wurde gänzlich unterlassen. Und dort wo gepflegt wurde, war das Ergebnis zumindest sehr mangelhaft. Wie anders kann man sich einen Baum mit rund 15-20 Zentimeter Durchmesser mitten im Bachbett an der Brücke des Königsteiner Weges erklären? Scheinbar wurde bei der regelmäßig stattfindenden Begehung der Verwaltung mit dem Abwasserverband dieser Missstand, der nicht innerhalb eines Jahres so hoch gewachsen sein kann, nie festgestellt.
Egal woran es nun lag und wer die Verantwortung dafür trägt, so etwas sollte sich nie wiederholen. Die Information, dass während der Vogelschutz- und Brutzeit kein Pflegeschnitt durchgeführt werden kann, ist jedoch eine grobe Geringschätzung der Intelligenz aller das Amtsblatt lesender Betroffenen. Steht doch genau im Amtsblatt regelmäßig im Mai/Juni zu lesen – ich selbst habe zuhause mehrere archivierte Exemplare – dass die Bürger doch bitte ihre Hecke soweit zurück schneiden mögen, dass die Gehwege wieder voll begehbar sind. Unterschrieben von der Bürgermeisterin.
Natürlich gibt es Regelungen, dass Grundrückschnitte im Zeitraum von März bis September zu unterlassen sind und dass man darauf achtet, dass in der Hecke keine Vögel brüten, jedoch muss eine Hecke auch während der Vegetationsperiode öfters gepflegt werden. Ebenso würde es sich übrigens bei einem Baum verhalten, von dem ein Risiko ausgeht.
Und beim Bach soll das nicht möglich sein? Die betroffenen Bürger verstehen dies bis heute nicht. Nach der Ausschuss-Sitzung stand in der Zeitung als Überschrift die Aussage der Bürgermeisterin zu lesen: „Sehe ich die Schäden, so kann die Investition gar nicht zu hoch genug sein“. Ich fand diesen Satz gut und dachte, man hätte aus dem dritten Jahrhunderthochwasser in wenigen Jahren gelernt. Unsere und meine Unterstützung hätte die Bürgermeisterin sofort sicher.
Nun gab es im Haushalt mehrere Positionen bei denen ich sehr verwundert war. Die Summen für die Unterhaltskosten sowie für die Fremdinstandhaltung wurden von jeweils 50.000,- Euro auf 23´ bzw. 20.000 Euro gekürzt. Begründung: diese Summe fiel in 2020 für die Fremdinstandhaltung durch den Abwasserverband an. Genau – für 2 Pflegeschnitte. Einen im Frühjahr und einen im Herbst. Und was ist dazwischen? Ich dachte, es würde sich um ein Versehen handeln und man hätte den dritten Pflegeschnitt, den man den Anwohnern bei einem Ortstermin nannte, schlichtweg vergessen.
Ebenso bestätigten Anwohner anhand von Bildern, dass sich der Querschnitt des Bachbetts im Laufe der Jahre durch mitgetriebenen Sand und Sedimente verkleinert hätte. Auch hier müsste man ran, um den Querschnitt wieder herzustellen, so dass der Bach wenigstens die einmal berechnete Wassermenge ohne Gefährdung der Anwohner transportieren kann. Und das kostet natürlich auch Geld. Geld welches gut angelegt wäre.
Daher beantragten wir, diese beiden Summen wieder auf die Vorjahreswerte von jeweils 50.000,-€ zu erhöhen. Zu meiner großen Verwunderung sprach die Bürgermeisterin in den Haushaltsberatun-gen – diesmal jedoch ohne betroffene Anwohner auf den Zuschauerrängen im Raum – gegen diesen Antrag und bis auf die Grünen leider auch alle anderen Fraktionen. Ich war schon sehr verwundert.
Ein weiterer wichtiger Punkt war die Erneuerung der Brücke Alt Niederhofheim. Einem Nadelöhr wo das Wasser sich wegen des mitgeführten Treibguts und der niedrigen Höhe besonders staute. 400.000,- Euro stehen dafür und mehrere begleitende Projekte im Haushalt. Viel Geld könnte man meinen. Wer jedoch einmal mit Straßen- oder Brückenbau zu tun hatte, der weiß, dass dieser Betrag – auch in Anbetracht der begleitenden Projekte, die jeweils Geld kosten – nicht allzu viel ist.
Da wir der Meinung sind, dass diese Maßnahmen schnellstmöglich – zumindest vor dem nächsten Hochwasser – durchgeführt werden sollten, beantragten wir, diesen Posten um 100.000,- Euro zu erhöhen. Wenn es weniger wird ist es gut, aber zumindest sollte dieses Projekt am Ende nicht wegen z wenig Geld ins Stocken geraten und die Anwohner schlimmstenfalls wieder im Wasser stehen.
Nochmal das Zeitungszitat: „Sehe ich den Schaden, kann die Investition gar nicht groß genug sein.“ Wir waren sehr überrascht, als die Bürgermeisterin und die anderen Fraktionen auch gegen diesen Antrag stimmten. Das einzige was heraus kam war, dass der Titel der Position geändert wurde. Aus „Hochwasserschutz – Brücke Alt Niederhofheim“ wurde „Hochwasserschutz“. Die Brücke ist somit nicht mal mehr namentlich im Haushalt erwähnt. Anstatt einfach die anderen Dinge in den Namen mit aufzunehmen, lässt man das Wort Brücke weg. Dann kann man auch in eine paar Jahren nichts vorgehalten bekommen, wenn das nächste Hochwasser da war.
Unsere Anträge zum wichtigen Thema Überschwemmungsschutz wurden somit komplett abgelehnt.
Liebe Kollegen, ein Haushalt sollte ausgeglichen sein und ohne Neuverschuldung auskommen. Dies ist nicht nur coronabedingt nicht der Fall. Wie eingangs berichtet, hätten wir dem Haushalt diesmal trotzdem zugestimmt.
Wenn jedoch der Teil, der viele Liederbacher riesige Summen und meist den zukünftigen Versicherungsschutz kostete, gänzlich unbeachtet bleibt, können wir beim besten Willen diesem Haushalt nicht zustimmen. Dies wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die im August vieles verloren haben. Aus diesem Grund werden wir den Haushalt 2021 heute ablehnen.
Gerne möchte ich mich noch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und bei allen Kolleginnen und Kollegen der Gemeindevertretung für die geleistete Arbeit bedanken und Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest, gute Gesundheit und ein besseres 2021 wünschen.